Verdienst und Gnade

Ist’s aber aus Gnaden, so ist’s nicht aus Verdienst der Werke;
sonst würde Gnade nicht Gnade sein« (Römer 11, 6). Ein unscheinbarer
Text, den man leicht überliest. … Zwei gewaltige
Linien zeichnet uns unser Text vor, zwei Möglichkeiten, die
zueinander gehören und doch widereinander sind. Verdienst
heißt die Eine – Gnade heißt die Andere. Mit anderen Worten:
Die eine Linie führt vom Menschen zu Gott hinauf, die andere
führt von Gott zum Menschen herab und beide schließen
einander aus – und gehören doch zusammen. Das ist das Wunder
des christlichen Glaubens. … Der große Kirchenvater
Augustin hat seine Bekenntnisse mit dem Wort begonnen:
»Du hast uns zu dir hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz
in uns, bis es Ruhe findet in dir.« »Unruhig«: Damit ist das
Wort gefallen, auf das es ankommt. … Unruhe – nicht im
Menschlich-Vergänglichen, da gibt es nur Nervosität und Ungeduld
– nein Unruhe in der Richtung aufs Ewige. Für Unruhe
können wir auch sagen Grauen, Angst, Sehnsucht, Liebe. Es ist
in der Seele des Menschen, so wahr er nur Mensch ist, ein
Ding, daß sie unruhig macht, daß sie hinweist auf das Unendliche,
Ewige.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Barcelona, Berlin, Amerika 1928-1931
, DBW Band 10, Seite 455 f

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