Die dauernde Beunruhigung

Von Gott nicht mehr loskommen können, daß ist die dauernde
Beunruhigung jedes christlichen Lebens. Wer sich
einmal auf ihn einließ, wer sich einmal von ihm überreden ließ,
der kommt nicht mehr los (Jesaja 20, 7). Zu wem er einmal geredet
hat, der kann ihn nicht mehr ganz vergessen, den begleitet
er immerfort, im Guten und im Bösen. Den verfolgt er – wie
der Schatten den Menschen. Und diese dauernde Nähe Gottes
wird dem Menschen zu viel, zu groß, geht ihm über seine Kraft
und er denkt wohl manchmal: O, hätte ich es nie mit Gott angefangen.
Es ist zu schwer für mich. Es zerstört mir den Frieden
meiner Seele und mein Glück. Und wenn er meint, er könne es
nicht mehr ertragen, er müsse sich selbst ein Ende machen –
dann weiß er doch auch wieder, daß er auch so nicht mehr loskommt
von dem Gott, auf den er sich einließ, von dem er sich
hat überreden lassen, er bleibt sein Opfer, in seinen Händen.
Aber eben hier, wo einer meint, den Weg mit Gott nicht mehr
länger gehen zu können, weil er zu schwer ist – und solche
Stunden kommen über jeden zu seiner Zeit – wo uns Gott zu
stark geworden ist – wo ein Christ unter Gott zusammenbricht
und verzagt – da wird uns Gottes Nähe, Gottes Treue, Gottes
Stärke zum Trost und zur Hilfe, da erst erkennen wir Gott und
den Sinn unseres christlichen Lebens recht.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
London 1933-1935
, DBW Band 13, Seite 350

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