Ein kostbares Geschenk

Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines uns lieben
Menschen ersetzen kann und man soll das auch garnicht
versuchen; man muß es einfach aushalten und durchhalten; das
klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer
Trost; denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt
man durch sie miteinander verbunden. Es ist verkehrt, wenn
man sagt, Gott füllt die Lücke aus; er füllt sie garnicht aus,
sondern er hält sie vielmehr gerade unausgefüllt, und hilft uns
dadurch, unsere echte Gemeinschaft – wenn auch unter
Schmerzen – zu bewahren. Ferner: je schöner und voller die
Erinnerungen, desto schwerer die Trennung.

Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel,
sondern wie ein kostbares Geschenk in sich. Man muß sich
hüten, in den Erinnerungen zu wühlen, sich ihnen auszuliefern,
wie man auch ein kostbares Geschenk nicht immerfort betrachtet,
sondern nur zu besonderen Stunden und es sonst nur wie
einen verborgenen Schatz, dessen man sich gewiß ist, besitzt;
dann geht eine dauernde Freude und Kraft von dem Vergangenen
aus. … Vom ersten Aufwachen bis zum Einschlafen müssen
wir den anderen Menschen ganz und gar Gott befehlen und
ihm überlassen, und aus unseren Sorgen um den Andren
Gebete für ihn werden lassen.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Widerstand und Ergebung
, DBW Band 8, Seite 255 f

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