Zeit und Tod

Schuld bleibt Schuld, Versäumnis bleibt Versäumnis. Das
ist eine Wirklichkeit, die uns alle in unserem Leben die
meisten Tränen gekostet hat und noch kosten wird. Geschehen,
bleibt für alle Zeit geschehen. Das andere fürchterliche aber ist,
daß es keinen Augenblick des Stillstehens gibt, das alles weiter
geht in ewigem Wechsel und zwar zu einem bestimmten Ziele
hin, zum Tode. … Unbarmherzig schreitet die Zeit über den
Augenblick hinweg, den Augenblick der Wonne, der Freude,
der Seligkeit, der Lust. … Die Lust in der Welt vergeht, weil
die Welt vergeht (1 Johannes 2, 17). …Was sind ein paar Jahrhunderte
des Ruhmes in der Geschichte der Welt Gottes, im Angesicht
der uralten Sterne? Was ist alle Kultur, alle Schönheit,
alle Kraft der Menschen vor der ewigen Schöne, und der
unendlichen Kraft Gottes? Ein Staub, ein Tropfen im Meer,
ein Blatt vom Winde verweht, ein Nichts. … Die Erde vergeht
und die Welt vergeht; über sie alle herrscht die Zeit – d. h. aber
mit einem deutlichen Wort gesagt: der Tod. Zeit und Tod sind
dasselbe. Die Welt ist eine Welt des Sterbens und des Todes.
Alles was in ihr geschieht ist nur ein Vorletztes gegenüber dem
Letzten, dem Tod. Darum ist nicht Leben und Freude und Lust
das letzte Wort über die Welt, sondern Vergänglichkeit und Tod.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Barcelona, Berlin, Amerika 1928-1931
, DBW Band 10, Seite 500 f

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