Es ist nicht gut, sich um die Wahrheit zu betrügen

Es gibt Menschen, die können zu keinem Begräbnis gehen –
oder besser, sie wollen es nicht. Warum nicht? Weil sie der
Erschütterung durch die unmittelbaren Nähe eines Toten
fürchten. Sie wollen diese Seite des menschlichen Lebens nicht
sehen und meinen, daß sie dadurch, daß sie nicht hinsehen, die
Dinge selbst aus der Welt schaffen. Es gibt sogar solche, die
meinen, es sei besonders fromm, die schwarzen, dunklen Seiten
des Lebens nicht zu sehen, sich vor den Katastrophen dieser
Welt zu verschließen und im friedlichen Optimismus sein eigenes
selbstbeschauliches frommes Leben zu führen.
Aber es kann eben nie und nimmer gut sein, sich um die
Wahrheit zu betrügen, denn wer sich um die Wahrheit seines
eigenen Lebens betrügt, betrügt sich gewiß auch um die Wahrheit
Gottes. Und es ist gewiß nie und nimmer mehr fromm, die
Augen, die uns Gott gab, damit wir unseren Nächsten und
seine Not sehen, dort zu schließen, wo sie Trauriges, Entsetzliches
sehen müssen. Also das ist gewiß nie und nimmer der
rechte Weg, die Dinge, die uns erschrecken und bedrücken,
loszuwerden.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
London 1933-1935
, DBW Band 13, Seite 367

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