Träumer und Wolkenwandler?

Bleibt der Erde treu, trachtet nach dem, was auf Erden ist.
Das ist zahllosen Menschen ein heiliges Anliegen – und
wir begreifen ihren Eifer. Wir begreifen ihre Eifersucht, mit der
sie Planen und Wirken und Streben der Menschen an diese
Erde ketten wollen. Denn wir sind ja an diese Erde gekettet. Sie
ist der Ort, wo wir stehen und fallen. Was auf Erden geschieht,
davon wird Rechenschaft gefordert. Und wehe uns Christen,
wenn wir da zuschanden werden sollten. …
Daran entscheidet sich heute Gewaltiges, ob wir Christen Kraft
genug haben, der Welt zu bezeugen, daß wir keine Träumer und
Wolkenwandler sind. Daß wir nicht die Dinge kommen und gehen
lassen, wie sie nun einmal sind. Daß unser Glaube wirklich
nicht das Opium ist, das uns zufrieden sein läßt inmitten einer
ungerechten Welt. Sondern daß wir, gerade weil wir trachten
nach dem, was droben ist (Kolosser 3, 2), nur umso hartnäckiger
und zielbewußter protestieren auf dieser Erde. Protestieren mit
Worten und Taten, um um jeden Preis voranzuführen. Muß es
denn so sein, daß das Christentum, das einstmals so ungeheuer
revolutionär begonnen, nun für alle Zeiten konservativ ist? Daß
jede neue Bewegung ohne die Kirche sich Bahn brechen muß,
daß die Kirche immer erst zwanzig Jahre hinterher einsieht, was
eigentlich geschehen ist? Muß dem wirklich so sein?

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ökumene, Universität, Pfarramt 1931-1932
, DBW Band 11, Seite 445 f

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