Sehet auf

Täuschen wir uns doch nicht. Die Erlösung naht (Lukas 21,28),
ob wir das wissen oder nicht, und die Frage ist nur: lassen
wir sie auch zu uns kommen oder widersetzen wir uns? Lassen
wir uns in diese Bewegung, die vom Himmel herab auf Erden
kommt, hineinreißen oder verschließen wir uns? Es wird
Weihnachten, ob mit uns oder ohne uns, das liegt bei jedem
einzelnen von uns.
Und das nun ein solches wahrhaftes Adventsgeschehen etwas
anderes schafft als eine ängstliche, kleinliche, bedrückte,
schwächliche Christlichkeit, die wir immer wieder wahrnehmen
und die uns das Christentum selbst immer wieder verächtlich
machen will, das wird aus den zwei gewaltigen Aufforderungen
klar, die unseren Text einleiten. Sehet auf, erhebet eure
Häupter. Advent schafft Menschen, neue Menschen. Neue
Menschen sollen auch wir im Advent werden. Sehet auf, ihr,
deren Blick unverwandt auf diese Erde gerichtet ist, die gebannt
sind von den kleinen Geschehnissen und Veränderungen
auf der Oberfläche dieser Erde, sehet auf, die ihr euch vom
Himmel enttäuscht abgewendet habt, zu diesen Worten, sehet
auf, ihr, deren Augen von Tränen schwer sind und dem nachweinen,
daß die Erde uns gnadenlos entrissen hat, sehet auf, ihr,
deren Blick schuldbeladen sich nicht erheben kann – sehet auf,
eure Erlösung naht. Es geschieht noch etwas anderes, als was
ihr täglich seht, nehmt es nur wahr, seid auf der Wacht, wartet
noch einen kurzen Augenblick, wartet und es wird etwas ganz
Neues über euch hereinbrechen. Gott wird kommen.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
London 1933-1935
, DBW Band 13, Seite 336

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