Das Wunder aller Wunder

Gott geht wunderbare Wege mit den Menschen, er richtet
sich nicht nach der Meinung und Ansicht der Menschen.
Gott geht nicht den Weg, den die Menschen ihm vorschreiben
wollen, sondern sein Weg ist über alles Begreifen, über alles
Beweisen frei und eigenwillig.
Wo der Verstand sich entrüstet, wo unsere Natur sich auflehnt,
wo unsere Frömmigkeit sich ängstlich fernhält, dort, gerade
dort liebt es Gott zu sein. Dort verwirrt er den Verstand der
Verständigen, dort ärgert er unsere Natur, unsere Frömmigkeit
– dort will er sein und keiner kann’s ihm verwehren – und
nur die Demütigen glauben ihm und freuen sich, daß Gott so
frei und so herrlich ist, daß er Wunder tut, wo der Mensch verzagt,
daß er herrlich macht, was gering und niedrig ist. Und das
ist das Wunder aller Wunder, daß Gott das Niedrige liebt. …
Gott schämt sich der Niedrigkeit des Menschen nicht, er geht
mitten hinein, er wählt einen Menschen zu seinem Werkzeug
und tut seine Wunder dort, wo man sie am wenigsten erwartet.
Gott ist nahe der Niedrigkeit, er liebt das Verlorene, das Unbeachtete,
Unansehnliche, das Ausgestoßene, das Schwache und
Zerbrochene, wo die Menschen sagen: verloren, da sagt er:
gefunden, wo die Menschen sagen »gerichtet«, da sagt er
»gerettet«, wo die Menschen sagen: Nein!, da sagt er: Ja!

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
London 1933-1935
, DBW Band 13, Seite 339 f

Gedanken zum 9. Dezember

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