Eine leise, geheimnisvolle Stimme

Mitten in tiefster Schuld und Not des Volkes spricht eine
Stimme leise und geheimnisvoll, aber voll seliger Gewißheit
von der Erlösung durch die Geburt eines göttlichen
Kindes (Jesaja 9, 5 f). Noch sind es 700 Jahre bis zur Zeit der Erfüllung,
aber so tief ist der Prophet in Gottes Gedanken und Ratschlüsse
versenkt, daß er von dem Künftigen spricht, als sähe er
es schon, daß er von der rettenden Stunde spricht, als stehe er
schon anbetend vor der Krippe Jesu. »Uns ist ein Kind geboren
«. Was dereinst geschehen wird, das ist in Gottes Augen
schon wirklich und gewiß und das wird nicht nur den künftigen
Geschlechtern zum Heil, sondern schon dem Propheten, der es
kommen sieht, und seinem Geschlechte, ja allen Geschlechtern
auf Erden. »Uns ist ein Kind geboren«. So kann kein
menschlicher Geist aus sich heraus sprechen. Die wir nicht
wissen, was im nächsten Jahr geschehen wird, wie sollen wir es
begreifen, daß einer über Jahrhunderte hinaussieht? Und die
Zeiten waren damals nicht durchsichtiger als heute. Nur der
Geist Gottes, der Anfang und Ende der Welt umfaßt, kann
einem erwählten Menschen das Geheimnis der Zukunft so
offenbaren, daß er weissagen muß zur Stärkung der Gläubigen
zur Warnung der Ungläubigen. Diese Stimme des Einzelnen
geht zuletzt ein in die nächtliche Anbetung der Hirten
(Lukas 2, 15 ff) und in den vollen Jubel der christusgläubigen Gemeinde:
»uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben«.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Konspiration und Haft 1940-1945
, DBW Band 16, Seite 633 f

Gedanken zum 17. Dezember

Leben und Werk

Bonhoeffer heute

Forschung

ibg