An die Krippe des Christuskindes können wir nicht
treten, wie an die Wiege eines anderen Kindes, sondern
wer an seine Krippe gehen will, mit dem geht etwas vor, der
kann nur gerichtet oder erlöst wieder von ihr fort gehen, der
muß hier entweder zusammenbrechen oder er weiß die Barmherzigkeit
Gottes sich zugewandt.
Was heißt das? Ist das nicht alles Redensart, pastorale Übertreibung
einer schönen frommen Legende? Was heißt es, daß
solche Dinge vom Christuskind gesagt werden? Wer es als
Redensart nehmen will, der tue es und feiere Advent und
Weihnachten weiterhin so heidnisch unbeteiligt wie bisher.
Uns ist es keine Redensart. Denn das ist es ja, daß es Gott
selbst ist, der Herr und Schöpfer aller Dinge, der hier so gering
wird, der hier in den Winkel, in die Verborgenheit, in die Unansehnlichkeit
der Welt eingeht, der in der Hilflosigkeit und
Wehrlosigkeit des Kindes uns begegnen und unter uns sein
will – und das nicht aus Tändelei, aus Spielerei, weil wir das so
rührend finden, sondern um uns zu zeigen, wo er sei und wer er
sei, und um von diesem Ort aus alles menschliche Großseinwollen
zu richten, und zu entwerten, zu entthronen.
Der Thron Gottes in der Welt ist nicht auf den menschlichen
Thronen, sondern in den menschlichen Abgründen und Tiefen,
in der Krippe. Um seinen Thron herum stehen nicht
schmeichelnde Vasallen, sondern dunkle, unbekannte, fragwürdige
Gestalten, die sich an diesem Wunder nicht satt sehen
können und ganz von der Barmherzigkeit Gottes leben wollen.
Quelle:
London 1933-1935, DBW Band 13,
Seite 341f