Woran liegt es, daß meine Gedanken so schnell von Gottes
Wort abweichen und daß mir zur nötigen Stunde das
nötige Wort oft nicht gegenwärtig ist? Vergesse ich denn zu essen
und zu trinken und zu schlafen? Warum vergesse ich Gottes
Wort? Weil ich noch nicht zu sagen vermag, wie es der Psalm
sagt: Ich habe meine Lust an deinen Satzungen (Psalm 119, 16).
Woran ich meine Lust habe, das vergesse ich nicht. Vergessen
oder nicht, das ist nicht Sache des Verstandes, sondern des ganzen
Menschen, des Herzens. Woran Leib und Seele hängt, das
kann ich nie vergessen. Je mehr ich die Ordnungen Gottes in
Schöpfung und Wort zu lieben beginne, desto gegenwärtiger
werden sie mir zu jeder Stunde sein. Gegen das Vergessen
schützt nur die Liebe.
Weil Gottes Wort in der Geschichte und d.h. in der Vergangenheit
zu uns gesprochen hat, darum ist die Erinnerung, die
Wiederholung des Gelernten täglich nötige Übung. Wir müssen
jeden Tag aufs neue zurück zu den Heilstaten Gottes, um
vorwärts gehen zu können. … Aus der Erinnerung und Wiederholung
lebt Glaube und Gehorsam. Erinnerung wird zur Kraft
der Gegenwart, weil es der lebendige Gott ist, der einst für
mich gehandelt hat und mich heute dessen vergewissert.
Quelle:
Illegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937-1940, DBW Band 15,
Seite 525