Die täglich nötige Übung

 

Woran liegt es, daß meine Gedanken so schnell von Gottes

Wort abweichen und daß mir zur nötigen Stunde das

nötige Wort oft nicht gegenwärtig ist? Vergesse ich denn zu essen

und zu trinken und zu schlafen? Warum vergesse ich Gottes

Wort? Weil ich noch nicht zu sagen vermag, wie es der Psalm

sagt: Ich habe meine Lust an deinen Satzungen (Psalm 119, 16).

Woran ich meine Lust habe, das vergesse ich nicht. Vergessen

oder nicht, das ist nicht Sache des Verstandes, sondern des ganzen

Menschen, des Herzens. Woran Leib und Seele hängt, das

kann ich nie vergessen. Je mehr ich die Ordnungen Gottes in

Schöpfung und Wort zu lieben beginne, desto gegenwärtiger

werden sie mir zu jeder Stunde sein. Gegen das Vergessen

schützt nur die Liebe.

 

 

Weil Gottes Wort in der Geschichte und d.h. in der Vergangenheit

zu uns gesprochen hat, darum ist die Erinnerung, die

Wiederholung des Gelernten täglich nötige Übung. Wir müssen

jeden Tag aufs neue zurück zu den Heilstaten Gottes, um

vorwärts gehen zu können. … Aus der Erinnerung und Wiederholung

lebt Glaube und Gehorsam. Erinnerung wird zur Kraft

der Gegenwart, weil es der lebendige Gott ist, der einst für

mich gehandelt hat und mich heute dessen vergewissert.

 

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Illegale Theologenausbildung: Sammelvikariate 1937-1940
, DBW Band 15, Seite 525

Gedanken zum 14. Januar

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