Nachdem Hitler für den 23.6.1933 Wahlen in der evangelischen Kirche angeordnet hatte, agitierte die Glaubensbewegung Deutsche Christen (DC) mit Unterstützung der NSDAP um Wählerstimmen auch an Universitäten. Am 17. Juni sprach Bonhoeffer, seit Herbst 1931 Privatdozent an der Universität Berlin und Studentenpfarrer an der Charlottenburger Technischen Hochschule, zusammen mit einem Pfarrer-Kollegen beim Staatssekretär Lammers vor, um die Regierungsstellen bis hin zum Kultusministerium zu informieren, dass der Terror, den die DC ausübte, die wahre Auffassung der Studenten
verdecken würde; nur sehr wenige wären dafür, dass Wehrkreispfarrer Ludwig Müller, Schirmherr der DC, Reichsbischof würde. Auch die meisten nationalsozialistischen Studenten ständen hinter Pastor von Bodelschwingh.
Die beiden Fragezeichen am Rand des Aktenvermerks der Reichskanzlei neben diesen Sätzen könnte Lammers zugesetzt haben. Über seinen Schreibtisch gingen noch weitere Bonhoeffer betreffende Akten. Seine Paraphe steht unter der Aktennotiz vom 18. Juli über die Freigabe von Wahlmaterial der gegen die DC opponierenden Jungreformatoren
, da für die Wahlen unparteiische Durchführung gesetzlich gewährleistet sei
; Bonhoeffer und Gerhard Jacobi, Pfarrer an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, hatten beim preußischen Gestapo-Chef Protest eingelegt. Bei der Wahl fielen 70 % aller Stimmen an die DC; Fälschungen hatten nachgeholfen. Auch die Notiz über die Mitteilung, dass deutsche evangelische Gemeinden in London im Zusammenwirken mit Baron Schröder beschlossen hätten, sich der Bekenntniskirche
anzuschließen, zeichnete am 16.11.1934 Lammers ab.
Quelle:
Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer. Theologe – Christ – Zeitgenosse. Eine Biographie. Gütersloh9 2005.
LAMMERS, HANS HEINRICH, DR. JUR. (1879-1962): wurde am 27.5.1879 in Lublinitz geboren und machte innerhalb des NS-Regimes Karriere. Vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten war er 1912 Richter in Beuthen, 1921 im Reichsministerium des Innern, 1922 Ministerialrat. 1932 trat er in die NSDAP ein; 1932 war er Polizeidezernent, 1933-1945 Chef der Reichskanzlei, 1933 Staatssekretär, 1937 Reichsminister. 1949 wurde er im Nürnberger Wilhelmstraßen-Prozess zu 20 Jahren Haft verurteilt, 1951 auf 10 Jahre begnadigt, 1952 auf Grund einer Amnestie entlassen. Lammers starb am 4.1.1962 in Düsseldorf.
Vita aus:
Kalliope. Verbundkatalog Nachlässe und Autographen.