Rezension von
Peter Zimmerling, Morgen Kirche sein. Gemeinde glauben, denken und gestalten. Vandenhoek & Ruprecht [ISBN 978-3-525-60017-7], Göttingen 2023
Das Buch vom Leipziger Professor für Praktische Theologie mit Schwerpunkt Seelsorge, Prof. Dr. Peter Zimmerling, zeigt auf dem Cover ein Bild: Zwei Kirchtürme im Nebel. Der obere Teil der Kirchtürme einer neugotischen Kirche mit spitzen Hauben tragen Kreuze. Das Dach des Kirchenschiffs mit Sakristei ist bei näherer Betrachtung erkennbar. Eine Morgensonne durchbricht den blaukalten Nebel, der sich rötlich färbt. Das Licht der aufgehenden Sonne spiegelt sich an den Kirchturmspitzen. Assoziationen weckt dieses Bild. Auch wenn die Zukunft der Kirche(n) im Nebel undeutlich erscheint, wird eine Hoffnung auf einen neuen Morgen der Kirche(n) freigesetzt.
Wie wird der Leipziger Professor und Dietrich Bonhoeffer Forscher, der im Wintersemester 2022/2023 eine Vorlesung Dietrich Bonhoeffer als Praktischer Theologe hielt, die christliche Hoffnung der Kirche(n) begründen, reflektieren und seine erfahrungsreichen Impulse zur Gestaltung der Kirche als Gemeinde im Morgen entfalten? Peter Zimmerling trägt seine handlungsorientierten Perspektiven in die seit den 1960er Jahren kontrovers geführte Reformdebatte mit pointierten Zuspitzungen ein. Sein Horizont beschreibt er in „(e)lf zusammenfassende(n) Thesen zur Zukunft der Kirche“ (16-26).
Von einer „Haltung der Dankbarkeit“ (12) hebt Peter Zimmerling die „Selbstzwecklichkeit“ der Kirche (Dietrich Bonhoeffer, DBW 8, 411) hervor, deutet diesen Begriff, „selbstgewiss Kirche sein (zu) wollen“ (16) und setzt sie spannungsvoll zu Dietrich Bonhoeffers These „Kirche für andere“ (DBW 8, 560), die seit 1951 kontrovers diskutiert worden ist, in Beziehung. Im intensiven Gespräch mit Dietrich Bonhoeffer arbeitet Peter Zimmerling in seinem Buch heutige Fragestellungen heraus, führt Wahrnehmungen an, ordnet sie in sozialwissenschaftliche Deutungskategorien ein und pointiert seine Positionen, die seine Reflexionen und Praxiserfahrungen erkennen lassen. In seinen einleitenden und zusammenfassenden Thesen zentriert der Leipziger Theologieprofessor, der jahrelang zur Spiritualität geforscht und publiziert hat, die These: „In einer pluralistischen Gesellschaft ist für eine Kirche eine profilierte evangelische Spiritualität überlebensnotwendig.“ (22)
In weiteren sechs Kapiteln entfaltet er seine Thesen in seinem Arbeitsbuch mit grundlegenden Themen einer Situationsanalyse heute (27-35), einer neutestamentlichen Akzentuierung (36-46), einer kirchengeschichtlichen Skizze (47-62), „Ekklesiologische Grundentscheidungen“ (63-96) und einer Auswahl von einer „Vielfalt von Konzeptionen des Gemeindeaufbaus“ (97-140). Die detaillierten Ausführungen gipfeln im praxisorientierten Kapitel „Zur Praxis des Gemeindeaufbaus: exemplarische Konkretionen“ (141-197). Er plädiert dafür, eine Glaubenssprachfähigkeit wiederzugewinnen (141- 151), offene Kirche zu nutzen und mögliche Kirchenraumumnutzungen kritisch und prozessorientiert zu problematischen (152-167), „Kommunitäten und Einkehrhäuser als evangelische Gnadenorte“ zu entdecken (168-177) und Pilgern heute kirchlich-theologisch zu würdigen (177-185). In diesem Kapitel nimmt er einen Artikel von Ute Paul (Gotha) zu einem bemerkenswerten Experiment in einer Plattenbausiedlung (185-194) auf. Zur Frage der Digitalisierung wird ein Interview mit Jochen Geck (Berlin) veröffentlicht.
Peter Zimmerlings hoffnungsvolles, biblisch begründetes, theologisch mit Bezug auf Dietrich Bonhoeffer reflektiertes und akzentuiertes Kirchenbuch wird von Voten des sächsischen Landesbischofs Tobias Bilz (9-11) und des früheren EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider (198- 200) kirchenpolitisch gerahmt.
von Dekan em. Dr. Gernot Gerlach, Kassel