Das Verhältnis Jesu Christi zum Bösen und

zum Guten
Immer wieder hat die Kirche, wo sie sich auf die Schrift
gründete, über das Verhältnis Jesu Christi zu den Bösen und
zum Bösen nachgedacht. In den reformatorischen Kirchen ist
diese Frage beherrschend gewesen, ja es gehörte zu den entscheidenden
Erkenntnissen der Reformation, hier das evangelische
Wort in neutestamentlicher Tiefe und Fülle gesprochen
zu haben. Dagegen blieb die Frage nach dem Verhältnis des
Guten zu Christus merkwürdig unberührt. Der Gute war entweder
der Pharisäer und Heuchler, der von seiner Bosheit überzeugt
werden mußte oder es war der aus seinem Bösen zu
Christus Bekehrte und nun durch ihn zu guten Werken Instandgesetzte.
Das Gute war dementsprechend entweder das
»glänzende Laster« des Heiden oder die Frucht des Heiligen
Geistes. Damit war nun freilich die Frage nach dem Verhältnis
Jesu Christi zum Guten keineswegs erschöpft, vielmehr wurde
durch die Vernachlässigung dieser Frage aus dem Evangelium
nur noch der Bekehrungsruf und Sündentrost für Trinker, Ehebrecher
und Lasterhafte aller Art und das Evangelium verlor
seine Kraft an den Guten. Über die Bekehrung des Guten zu
Christus wußte man wenig zu sagen.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 350 f

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