Ein Urstoff des Tragischen

Einsam erwehrt sich der Mann des Gewissens der Übermacht
der Entscheidung fordernden Zwangslage. Aber das
Ausmaß der Konflikte, in denen er zu wählen hat – durch nichts
beraten und getragen als durch sein eigenstes Gewissen –, zerreißt
ihn. … Aus der verwirrenden Fülle der möglichen Entscheidungen
scheint der sichere Weg der Pflicht herauszuführen.
Hier wird das Befohlene als das Gewisseste ergriffen, die Verantwortung
für den Befehl trägt der Befehlsgeber, nicht der
Ausführende. In der Beschränkung auf das Pflichtgemäße aber
kommt es niemals zu dem Wagnis der freien auf eigenste Verantwortung
hin geschehenden Tat, die allein das Böse im Zentrum
zu treffen und zu überwinden vermag. Der Mann der Pflicht
wird schließlich auch dem Teufel gegenüber noch seine Pflicht
erfüllen müssen. Wer es aber unternimmt, im eigenster Freiheit in
der Welt seinen Mann zu stehen, wer die notwendige Tat höher
schätzt als die Unbeflecktheit seines eigenen Gewissens und
Rufes, … der hüte sich, daß ihn nicht gerade seine vermeintliche
Freiheit schließlich zu Fall bringe. Er wird leicht in das
Schlimme willigen, wohl wissend, daß es schlimm ist, um das
Schlimmere zu verhüten und er wird dabei nicht mehr zu erkennen
vermögen, daß gerade das Schlimmere, das er vermeiden
will, das Bessere sein kann. Hier liegt ein Urstoff des Tragischen.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 65 f

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