Einfalt und Klugheit

Wer Einfalt und Klugheit miteinander zu verbinden vermag,
kann bestehen. Aber was ist Einfalt? Was ist Klugheit?
Wie wird aus beiden eins? Einfältig ist, wer in der Verklärung,
Verwirrung und Verdrehung aller Begriffe allein die
schlichte Wahrheit Gottes im Auge behält, wer nicht ein
Dipsychos, ein Mann zweier Seelen (Jakobus 1, 8), ist, sondern der
Mann des ungeteilten Herzens. Weil er Gott kennt und hat,
darum hängt er an den Geboten, an dem Gericht und der
Barmherzigkeit, die täglich neu aus Gottes Mund gehen. Nicht
gefesselt durch Prinzipien, sondern gebunden durch die Liebe
zu Gott ist er frei geworden von den Problemen und Konflikten
der ethischen Entscheidung. Sie bedrängen ihn nicht mehr. Er
gehört ganz allein Gott und Gottes Willen. Weil der Einfältige
nicht neben Gott auch auf die Welt schielt, darum ist er imstande
frei und unbefangen auf die Wirklichkeit der Welt zu
schauen. So wird die Einfalt zur Klugheit. Klug ist, wer die
Wirklichkeit sieht, wie sie ist, wer auf den Grund der Dinge
sieht. Klug ist darum allein, wer die Wirklichkeit in Gott sieht.
Erkenntnis der Wirklichkeit ist nicht dasselbe wie Kenntnis der
äußeren Vorgänge, sondern das Erschauen des Wesens der
Dinge. Nicht der Bestinformierte ist der Klügste.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ethik
, DBW Band 6, Seite 67 f

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