Von nun an?

Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert« –dieses Sprichwort, das sich in den verschiedensten Ländern
findet, entspringt nicht der frechen Weltklugheit eines
Unverbesserlichen, sondern hier enthüllt sich tiefe christliche
Einsicht. Wer an der Jahreswende nichts Besseres zu tun weiß,
als sich ein Register begangener Schlechtigkeiten anzulegen
und den Beschluß zu fassen, von nun an – wie viele solche
»von nun an« hat es schon gegeben! – mit besseren Vorsätzen
anzufangen, der steckt noch mitten im Heidentum. Er meint,
der gute Vorsatz mache schon den neuen Anfang, d. h. er
meint, er könne von sich aus einfach einen neuen Anfang machen,
wann er es gerade wolle. Und das ist eine böse Täuschung;
einen neuen Anfang macht allein Gott mit dem Menschen,
wenn es ihm gefällt, aber nicht der Mensch mit Gott.
Einen neuen Anfang kann der Mensch darum überhaupt nicht
machen, sondern er kann nur darum beten. Wo der Mensch bei
sich selbst ist und aus sich heraus lebt, da ist immer nur das
Alte, das Vergangene. Allein wo Gott ist, ist das Neue und der
Anfang und Gott kann man nicht kommandieren, man kann
um ihn nur beten. Aber beten kann der Mensch nur, wenn er
begreift, daß er etwas nicht kann, daß er an seiner Grenze ist,
daß ein anderer anfangen muß.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
London 1933-1935
, DBW Band 13, Seite 344 f

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