Adam, fliehe nicht

Adam, wo bist du? … mit diesem Wort des Schöpfers wird
der flüchtende Adam aus seinem Gewissen herausgerufen,
er muß vor seinem Schöpfer stehen. … Dieser Anruf geht
stracks gegen das Gewissen, das Gewissen sagt: Adam, du bist
nackt, verbirg dich vor dem Schöpfer, du darfst nicht vor ihm
stehen. Gott sagt: Adam, steh vor mir. … Adam versucht weiter
zu fliehen. Ich bin sündig, ich kann nicht vor dir stehen; als
ob man sich mit der Sünde entschuldigen könnte, gerade weil
du Sünder bist, stehe vor mir und fliehe nicht. Aber noch hält
Adam nicht stand: das Weib, das Du mir zugesellt hast, gab mir
von dem Baum, und ich aß. Er bekennt seine Sünde, aber indem
er sie bekennt, ergreift er schon wieder die Flucht. … Das
Weib war doch dein Geschöpf, es ist dein eigenes Werk, das
mich zu Fall brachte, warum hast du eine unvollkommene
Schöpfung hervorgebracht, was kann ich dafür? Also statt sich
zu stellen, greift Adam auf jene von der Schlange erlernte
Kunst zurück, die Gedanken Gottes zu korrigieren, von dem
Schöpfergott an einen besseren, anderen Gott zu appellieren,
d. h. eben, er entweicht abermals. Adam hat sich nicht gestellt,
hat nicht bekannt, er hat sich auf sein Gewissen, um Gut und
Böse berufen und von diesem Wissen aus seinen Schöpfer angeklagt.
Er hat die Gnade des Schöpfers nicht erkannt, die sich
gerade darin erweist, daß er ihn anruft.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Schöpfung und Fall
, DBW Band 3, Seite 120 ff

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