Der Weg der Liebe zu den Menschen

Christi Passionszeit beginnt nicht erst in der Leidenswoche,
sondern mit dem ersten Tage seiner Predigt. Sein Verzicht
auf das Reich als ein Reich dieser Welt ist nicht erst in Golgatha,
sondern von Anfang an vollbracht. Und diesen Gedanken
soll unsere Erzählung Ausdruck geben (Lukas 4, 5-8). Jesus hätte
Herr der Welt sein können. Er hätte als der erträumte Messias
der Juden Israel befreien und zu Ruhm und Ehre führen können.
Ein merkwürdiger Mann, dem noch vor Beginn seines
Wirkens die Herrschaft über die Welt angeboten wird. Und
noch merkwürdiger dadurch, daß er dieses Angebot ausschlägt.

Er weiß, daß er für diese Herrschaft einen Preis zahlen muß, der
ihm zu hoch ist. Es geht auf Kosten seines Gehorsams gegen
Gottes Willen. … Er bleibt der freie Sohn Gottes und erkennt
den Teufel, der ihn knechten will. »Du sollst Gott, deinen
Herrn, anbeten und ihm allein dienen«. Jesus weiß, was das
heißt. Es heißt Niedrigkeit, Schmähung, Verfolgung, heißt
unverstanden bleiben, heißt Haß, Tod, Kreuz. Und er wählt
diesen Weg von Anfang an. Es ist der Weg des Gehorsams und
der Weg der Freiheit. Denn es ist der Weg Gottes. Und darum
ist es auch der Weg der Liebe zu den Menschen.

Dietrich Bonhoeffer

Quelle:
Ökumene, Universität, Pfarramt 1931-1932
, DBW Band 11, Seite 397f

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